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Steffi

Steffi"Ich war 17 Jahre alt, als ich meinen gerade verstorbenen Bruder gefunden hatte. Das war zu viel für mich. Da konsumierte ich zum ersten Mal Chrystal.
Ich wollte das Erleben und meine Ohnmacht nur noch wegmachen. Vorher hatte ich auch schon Drogen genommen, aber "nur" Marihuana und Partydrogen. Nicht regelmäßig, doch öfter. Ich war in einer Clique, in der das einfach dazugehörte, wenn man nicht außerhalb stehen wollte. Ich begann in der Abschlussklasse meiner Schulzeit, Drogen zu nehmen.
Aufgewachsen bin ich in Erfurt (Thüringen) mit vier Geschwistern in der Plattenbausiedlung "Roter Berg". Drei meiner Geschwister waren geistig und körperlich schwerstbehindert. Das war eine unheimliche Belastung für unsere Familie und es bedeutete für mich oft viel Verzicht und ein Mittragen der Verantwortung. Meine Elternbeziehung war trotzdem gut und ich bin eigentlich gut behütet und voller Harmonie groß geworden.  Dadurch, dass meine Geschwister viel Aufmerksamkeit und Hilfe brauchten, bekam ich allerdings weitgehend weniger Aufmerksamkeit. Ich habe dann oft von anderen Menschen viel erwartet und bin immer wieder enttäuscht worden. Mein Vertrauen in andere wurde mehrfach missbraucht und die Erfahrungen in verschiedenen Beziehungen aus meinem Milieu waren belastend.
Mit 19 Jahren wurde ich schwanger. Ab da verlief mein Leben anders. Ich konnte zunächst auf Drogen verzichten und versuchte meiner neuen Verantwortung zu entsprechen, und meiner Tochter eine gute, wenn auch eine alleinerziehende Mutter zu sein. Ich tat alles, um nicht selber unterzugehen.
Hilfe fand ich im Jesus-Projekt Erfurt, das in meiner Nähe engagiert war und versuchte, Menschen aus dem Viertel ganz konkret zu helfen. Besonders für meine Tochter war das eine tolle Sache. Später versuchte ich dem Jesus-Projekt etwas von der Liebe, die wir erfahren hatten, zurückzugeben. Ich machte dort ein Jahr im Bundesfreiwilligendienst. Ich gab mir viel Mühe, kam aber selbst nicht so besonders gut klar. Zwischendrin nahm ich immer noch und immer wieder Drogen. Manchmal kam ich mir vor als würde ich zwei Leben leben. Dann, 2015, ich war mittlerweile 30 Jahre alt, verstarb meine Mutter. Der zweite Todesfall in unserer Familie. Mit ihrem Tod war unsere Familie nicht mehr das, was sie vorher war. Mutter war unsere Familienmanagerin. Mein Vater war mit der Situation überfordert und ich habe versucht, meine Mutter zu ersetzen. Ich habe viel und in verschiedenen Firmen gearbeitet, u. a. bei IKEA und H&M. Und gleichzeitig war ich selber Mutter und habe versucht, meiner Familie mit meinen schwerstbehinderten Geschwistern beizustehen.
Das habe ich nicht durchgehalten. Ich half mir mit Drogen. Spätestens jetzt erkannte ich, dass ich süchtig war. Die Spirale meiner Sucht drehte sich immer mehr abwärts. Aber noch immer hatte ich Kontakt zum Jesus-Projekt. Die leitenden Mitarbeiter, Ehepaar Flügge, vermittelten mich in eine Entgiftung und boten mir an, im Falle einer Therapie, die sie mir dringend aufs Herz legten, meine Tochter in Pflege zu nehmen. Das machte mir Mut, wusste ich meine Tochter doch dort in guten Händen. Und ich entschied mich für eine Therapie im Neuen Land, das sie mir empfahlen. So kam ich nach der Entgiftung am 12.12.2019 auf Krücken und in völlig desolatem Zustand in der Therapie in Amelith an. Der Start war sehr schwer für mich. Da ich sehr krank war, musste ich viel Zeit mit Arztbesuchen verbringen. Ich kam nicht zur Ruhe und konnte mich nur schwer integrieren. Vieles, wenn nicht alles, war weitgehend ungewohnt und fremd für mich. Aber, und das war das Gute, ich war und fühlte mich angenommen. Meine Therapeutin half mir mit unvorstellbarem Einfühlungsvermögen. Sie hat mich sehr unterstützt, sodass ich allmählich Boden unter meine Füße bekommen konnte. Ich lernte im Umgang mit mir selbst und mit anderen eine Fülle von Dingen und lernte vieles in meinem Leben neu zu erkennen. Als ich nach neun Monaten meine Therapie beendet hatte, war die Frage: Was nun?
Ich fühlte mich noch nicht stark genug, ein eigenständiges Leben allein zu führen und bekam, Gott sei Dank, die Chance, noch für eine Zeit der Nachsorge zu bleiben. Für meine Tochter bekam ich das Angebot von einem Mitarbeiterehepaar (Simone & Andreas Loewe) in Amelith, die weitere Pflege zu übernehmen. Dadurch war ich frei für meinen Weg in der Nachsorge, auf dem ich noch vieles zu lernen hatte und hatte sogar meine Tochter in der Nähe. Wir konnten uns jetzt häufig erleben und unsere Beziehung stärken. Und das können wir bis heute. Sie ist jetzt 18 Jahre alt. Wir haben eine gute Beziehung und ich freue mich über sie. Leider bin ich noch oft krank. Damit konnte ich mich früher nie annehmen. Jetzt habe ich gelernt, dass ich trotz Krankheit wertvoll bin und zu mir stehen kann und dass ich auch das annehmen kann. Sicher wünsche ich mir Wege zum Gesundsein und freue mich darauf. Schon im Jesus-Projekt in Erfurt habe ich viel von Jesus und von Gott gehört, konnte aber sehr lange nicht viel damit anfangen, obwohl ich tief in mir eine Sehnsucht nach Gott verspürt hatte. Ich brauchte eine längere Zeit. Ich bin dankbar, dass ich nun bereits vier Jahre hier in Amelith sein darf. Die Nachsorge war und ist echt wichtig. Ich habe jetzt gemerkt, dass Gott real ist und ich an einem Platz bin, an dem er wirkt. Ich habe zu einem persönlichen Glauben gefunden. Es ist wahrhaftig Großes geschehen! Gott hat mir ein neues Leben geschenkt. Da jubelt mein Herz."
Steffi

(Interview: 2023)