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Rückblick "Christmas in the City" 2023

Unsere Erlebnisse bei "Christmas in the City" 2023

CitC 2023 GruppenbildIn der Vorweihnachtszeit, die für viele drogenab­hän­gige und obdachlose Menschen nicht leicht ist, führ­ten wir vom 19.12.-24.12.2023 wieder unsere Einsatz­tage „Christmas in the City“ in der Drogen­szene Hanno­vers durch. Dieses Mal machten 55 Personen aus Hannover und anderen Städten Deutschlands mit, die ein Herz für Randgruppen haben. Viele von ihnen erlebten berührende Begeg­nun­­gen und Gespräche mit drogenabhängigen und ob­dachlosen Menschen in unserem Kontaktcafé Bauwagen und bei den Straßen­einsätzen in der Drogenszene. Im Nachfolgen­den berichten sie uns von ihren Erlebnissen:

Begegnungen im Kontaktcafé Bauwagen

Gast mit vollgepacktem Einkaufswagen„Ein Gast fährt mit seinem vollgepackten Einkaufswagen, an dem an den Seiten Tüten hängen, über die Hauptstraße Richtung Bauwa­gen, dem 'Wohnzimmer auf der Straße'. Nicht voller Lebensmittel, nein, gefüllt mit seinem Hab und Gut, seinem ganzen wertvollen Besitz. Den Einkaufs­wagen parkt er vor der Tür des Bauwagens und begibt sich hinein. Müde und erschöpft nimmt er an einem der kleinen Tische Platz. Das Leben auf der Straße ist hart. Irgendwann liegt sein Kopf seelenruhig auf der Tisch­platte. Um 14:30 Uhr gibt es einen geistlichen Impuls. Kurze Zeit später erwacht er. Seine Worte, die darauffolgen, zaubern dem ein oder ande­ren ein Lächeln ins Gesicht: ‚Von der Andacht habe ich nichts mitbe­kommen, aber hier herrscht so eine gute Atmosphäre, dass ich in Ruhe schlafen konnte.‘ Wie schön, dass wir einen Rahmen bieten können, damit Menschen zur Ruhe kommen und eine Auszeit haben von der Hektik und dem Getrieben-Sein. Und wer weiß, vielleicht hat er im Unterbewusstsein, im Schlaf ja doch etwas von Jesu Botschaft mitbekommen!?!“ (Mitarbeiterin Rut)

Essensausgabe im BWDer Bauwagen ist ein Ort, an dem man zur Ruhe kommen und sich bei einem heißen Getränk und/oder einer leckeren Mahlzeit aufwärmen kann. Es ist ein Ort der Begegnung. Die Teilnehmen­den von „Christmas in the City“ haben die Arbeit im Bauwagen unterstützt.

Gäste im BauwagenHanna (Einsatzteilnehmerin) berich­tet davon: „Ein Mädchen kommt in den Bauwagen, um einen Kaffee zu trinken und wir kommen ins Ge­spräch. Das Mädchen fragt, ob sie ihre Mama anrufen könne. Gefragt, getan: Am Telefon erzählt sie ihrer Mutter, wo sie aktuell schlafe und dass es ihr gut gehe. Bevor sie auflegt, sagt sie noch folgende Worte zu ihrer Mutter: ‚Ich habe dich lieb!‘ Das hat mich sehr bewegt, denn ich glaube, dass wir das viel zu selten den Men­schen sagen, die wir lieben.“

Parallel zu dem geöffneten Bauwagen gingen andere Teilnehmende in kleinen Teams mit dem Bollerwagen mit Kaffee und Tee zu verschiedenen Plätzen der Drogenszene Hannovers. Sie bauten Kon­takte zu den Menschen auf, hörten ihnen zu, fühlten mit ihnen mit, boten ihnen Hilfen zum Aus­stieg aus der Sucht an und ermutigten sie, dass es bei Gott keinen hoffnungslosen Fall gibt.

Straßeneinsatz in der Drogenszene Hannovers

Einsatzteam„Es ist ein trister Morgen, das Wetter ist ungemütlich, es ist kalt und regnet immer wieder, so wie bereits an den letzten Tagen. Wer geht da schon gerne raus vor die Tür? Wir als 4er-Team befinden uns vor der Substitutionsvergabestelle in Hannover-Linden. Es ist ein Kommen und Gehen: Rein – raus. Es dauert maximal 3 Minuten. Zwei Frauen verlassen die Praxis. Freundlich bieten wir ihnen einen warmen Kaffee/Tee sowie leckere Kekse an, mit Freude und Dank­barkeit nehmen sie diese an. Bei diesem Wetter genau das Richtige. Wir kommen ins Gespräch. Eine der Frauen, 44 Jahre alt, berichtet, dass sie mit 12 Jahren anfing zu konsumieren. Ihr Einstieg war nicht Cannabis, wie es bei vielen der Fall ist. Nein, Heroin! Und das mit 12 Jahren. Wie kommt es dazu, dass man in so jungen Jahren schon zur Drogen greift? Sie erzählt weiter, dass sie mit 12 Jahren auch das erste Mal Mutter geworden sei, der Kindsvater stirbt in ihren Armen. So viel Schmerz, Verlust und Hoffnungslosigkeit. Dennoch begegnet uns diese Frau mit einem Lächeln – die oberen vier Frontzähne fehlen – aber das Lächeln wirkt warm und ehrlich. Es macht den Eindruck, dass noch etwas Hoffnung in ihr ist, ein wenig Lebensmut ist noch vorhanden. Wir laden sie zur Weihnachtsfeier am 24.12. im SOS-Bistro ein – leckeres Weihnachts­essen, weihnachtliche Musik, Geschenke für jeden und Gemeinschaft. Dankbar für diese Einladung verspricht sie, mit ihrer Freundin zu kommen.“ (Mitarbeiterin Rut)

StellwerkFritz (Ehemaliger) berichtet von einer Begegnung am Stellwerk: „Bisher hatte ich einen sehr ungnädigen und verbitterten Blick auf die Drogendealer und mein Herz war ihnen gegenüber schon sehr verhärtet. Wenn Leute Kaffee ausschenkten und das Ge­spräch mit denen suchten, dachte ich immer wieder: ‚Vergeude deine Zeit doch nicht mit denen!‘

Aber das hat sich schlagartig bei einem Einsatz am Stellwerk geändert: Ein Dealer sucht direkt das Gespräch mit mir. Er zeigt mir ganz stolz Fotos und Videos, wie er vor ein paar Jahren in Albanien getauft wurde. Wir unterhalten uns über Jesus und die Bibel. Er weiß richtig viel darüber. Er scheint wirklich gläubig zu sein. Und dann hinterfrage ich ihn: Er müsse doch wissen, dass er mit seinem Handeln Menschen schade und dies nicht sein Auftrag sei, hier Drogen zu verkaufen. Daraufhin kommen wir in eine nette Diskus­sion, durch die sich mein Horizont etwas erweitert: Er be­richtet davon, dass er in Albanien studiert und einen Master an einer Sport-Uni gemacht, aber keinen Job gefunden habe. In Albanien sei es wohl sehr schwer, als Studierter einen Job zu finden. Wenn man nicht groß die Schule besucht habe, man einfach so arbeiten gehe, seien die Jobchancen deutlich höher. Des Weiteren erzählt er, dass seine Eltern bereits verstorben seien.

Durch die Begegnung durfte ich im Endeffekt lernen, dass auch hinter den Dealern oftmals eine komplexe Geschichte steckt. Auch hier gibt es Menschen, die Drogen nicht allein aus Spaß ver­kaufen, sondern weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Zum Dealen kommt oft dann auch noch eigener Konsum hinzu. Gefangen in einem Teufelskreislauf. Diese Geschichte hat mich sehr bewegt und vor allem auch meine Sicht auf die Dealer etwas verändert.“

SzeneMedizinstudentin Melissa, ist das erste Mal mit dabei: „Von der Szene hatte ich schon gehört, aber selbst noch keine direkten Berüh­rungspunkte gehabt. Jetzt, während ich dabei bin, nehme ich die Ar­beit vom Neuen Land als sehr wertschätzend und nachhaltig wahr. Regelmäßig geht jemand in die Drogenszene. Der Fokus bei den Ein­sätzen liegt auf Kommunikation, Connecting und darauf, den Men­schen zu sehen. Es gibt natürlich Ausstiegsmög­lich­keiten, aber es ist kein Überstülpen, sondern es geht erstmal darum, dem Menschen auf Augen­höhe zu begegnen. Das mitzuerleben finde ich richtig gut.“

Des Weiteren berichtet sie: „Es war für mich nicht überraschend, aber trotzdem in dem Moment schockierend zu sehen, was Drogen mit oder aus Menschen machen. Ich beobachtete auch, welche Per­sön­lich­keits­züge da­durch verstärkt werden, z.B. geistige Einschrän­kun­gen, unter ande­rem in der Sprache und im sozialen Miteinander. Das fand ich hart zu sehen. Ich weiß nicht, ob ich das unabhängig von der Szene mit Dro­gen verknüpft hätte. Es war eine Heraus­for­derung und ein Segen zu­gleich, das medizinisch und menschlich zu betrachten, aber auch geist­lich.“

Szene Person im RollstuhlDie Droge zerstört auf viele Art und Weise. Der Körper leidet. Es bilden sich z. B. Abszesse und tiefe Wunden, die eitern und medizi­nisch oft nur notdürftig versorgt werden. Gliedmaßen wechseln die Farbe von rot zu blau, zu schwarz. Im schlimmsten Fall stirbt Gewebe oder auch eine Gliedmaße ab.

Die Psyche bleibt meist nicht unangetastet. Viele drogenabhän­gige Menschen entwickeln eine psychische Störung, wie z. B. De­pression, Schizophrenie, Psychose o. Ä. Den klassischen Drogen­ab­hän­gigen, der „nur“ heroinabhängig ist, gibt es immer selte­ner. Viele haben eine Doppeldiagnose. Es macht sehr deutlich, wie kaputt unsere Welt ist und wie sie nach Hilfe ruft.

Wie reagieren wir auf diese Hilferufe? „Ich kann mich als Christ mit einer Kerze vergleichen: Wenn eine Kerze nicht angezündet irgendwo steht, sieht sie vielleicht schön aus, aber sie ist einfach nur Deko. Brennt die Kerze, hat sie eine Funktion. Sie bringt Licht in die Dunkelheit, strahlt Wärme aus. Das wünsche ich mir. Ich möchte nicht nur Deko sein, sondern auch etwas bewirken.“ (Einsatz­teil­nehmer J.)

thumb Heiligabend Geschenke verteilenZum Abschluss von „Christmas in the City“ gestaltete unser Team der Teil­nehmenden an Heilig­abend von 17:00-21:00 Uhr eine Weihnachts­feier im „SOS-Bistro“, zu der etwa 120 drogenabhän­gige und obdachlose Menschen kamen. Sie erlebten bei einem warmen Essen, Gesprächen, Live-Musik und kurzen, ermutigenden Impulsen aus der Bibel einen friedlichen Heiligen Abend, an dem Gottes Nähe erlebbar war. Viele Freunde des Neuen Landes aus Gemeinden haben uns vorab zahlreiche kleine liebevoll verpackte Weihnachtsgeschenke gespen­det, die wir den Menschen bei unserer Weihnachtsfeier über­reichen konnten.

Wir danken allen Teilnehmenden der Einsatztage ganz herzlich für ihr großes Engagement. Ihr ward ein super Team! Ganz herzlichen Dank auch allen Freunden aus Gemeinden, die für unsere Einsatztage gebetet und uns Weihnachtsge­schenke gespendet haben. Wir sind durch euch reich gesegnet worden und konnten diesen Segen an die Menschen in der Drogenszene weitergeben.

Januar 2024, Rut Walther und Daniela Keil